Nach der ersten Woche Sprachkurs und Eingewöhnen in Guting, „meinem“ Stadtviertel in Taipei, stand am Samstag der zweite Wettkampf in Taiwan, ein 10-Kilometer-Lauf auf der anderen Flussseite in New Taipei City, auf dem Programm.
Guting ist ein traditionelles Viertel Taipeis, welches ich aufgrund der guten Erreichbarkeit mit der U-Bahn, sowie der Nähe zum Fluss und zur Uni, wo mein Sprachkurs stattfinden sollte, ausgewählt habe. Außerdem ist Guting in ziemlich gutes Abbild der Stadt, da dort kaum Ex-Pats wohnen. Ich habe absolut nichts gegen Ex-Pats, aber ich wollte ja auch das „wahre“ Leben kennenlernen, um für mich rauszufinden, ob am Tag X ein Auswandern in Frage käme. Mir gefiel es in Guting hervorragend, aber man musste doch regelmäßig zur Sprach-App greifen, um sich richtig zu verständigen.
Mein Sprachkurs war täglich für vier Stunden an der Taipei Tech Uni, welche ich nach längerer Recherche ausgewählt hatte. Im Endeffekt bekam ich dort Einzelunterricht, da es nicht genügend Interessenten für einen Gruppenkurs gab. Dies hatte den Vorteil, dass ich durch die Lehrerin sehr viel intensiver betreut wurde, aber sich natürlich keinerlei Kontakt zu anderen StudentInnen entwickeln konnte. Auf dem Campus gab es beispielsweise kaum Menschen, die Englisch sprachen bzw. sich trauten Englisch zu sprechen.
Die Kosten für den Kurs waren trotzdem sehr überschaubar, da es sich im Gegensatz zu anderen Angeboten nicht um ein Rundum-Sorglos-Paket handelte. D.h. ich musste mir die Unterkunft selbst besorgen, wurde nicht am Flughafen abgeholt oder bekocht. Unterm Strich war das sicher auch die richtige Entscheidung. Ich wollte ja wie gesagt den Alltag in Taipei erleben und nicht mit internationalen Studenten auf die Piste.
Mein Alltag sah dann in der Regel folgendermaßen aus. Sprachkurs von 9 bis 12. Dann ging ich zum Mittagessen. Anschließend machte ich einen Ausflug oder eine Radtour mit dem uBike. Später Einkehr im Lieblingscafé zwecks Kaffee und Snack, während ich die Hausaufgaben erledigte. Abends ging ich dann oft noch an den Fluss, um eine Laufeinheit zu absolvieren oder bei für mitteleuropäische Verhältnisse milden Temperaturen einen Spaziergang zu machen.
Nach der ersten Woche Sprachkurs stand dann also am Samstag der „Labor Run“ in New Taipei City (die Stadt Taipei ist in zwei, eigentlich sogar drei unabhängige „Städte“ aufgeteilt). Das Anmeldeprocedere war das Gleiche wie beim recht misslungenen Halbmarathon in Tainan direkt nach meiner Ankunft in Taiwan. Der Start war um 6:30 und ich hatte geplant mit dem Bus den Fluss zu überqueren, um spätestens um 6:00 am Startgelände des Laufes zu sein. Allerdings spielten mir Fahrplan bzw. Google Maps einen Streich und der Bus fuhr 50 Meter entfernt ab – ohne mich.
Also musste ein Plan B. Mit einem Ein-Gang-uBike über den Fluss jagen und hoffen den Weg direkt zu finden? Oder sich mit der Allzweckwaffe Uber fahren lassen? Der Vorteil von Uber gegenüber Taxis ist, dass die Sprache keine Rolle spielt. Man gibt vorab das Ziel auf der App an und der Fahrer sieht das in Landessprache. Also App aufgemacht und wenige Minute bog der Fahrer um die Ecke. Der ursprüngliche Zeitplan (Ja, Puffer ist dann doch wichtig!) war im Eimer, aber knapp 20 Minuten vor dem Start stand ich am Rande des Startgeländes am Nordufer des Tamsui-Rivers.
Glücklicherweise war das Abholen der Startnummer und des kleinen Starterkits (inklusive gruseligem Camouflage-Hutes) schnell erledigt. Das Start-/Zielgelände war wie auch in Tainan sehr übersichtlich gestaltet und auch ohne Sprachkenntnisse fand man sich gut und zügig zurecht. Die Zahl der Teilnehmer lag im niedrigen vierstelligen Bereich, also keine ganz kleine Veranstaltung am Flussufer.
Nach dem üblen Einbruch beim Halbmarathon in Tainan hatte ich keine besonders großes Erwartungen an den Zehnkilometerlauf. Aber im Herbst war meine Form ja relativ schwankend und in der Heimat wechselten sich schlechte mit guten Läufen ab. Aufgrund der Erfahrungen in Tainan wollte ich mich aber trotzdem beim Start eher vorne als hinter aufstellen. Überholt werden kann man immer – überholen ist bei so einem großen Feld eher schwierig und am Anfang ist es für mich immer wichtig den eigenen Rhythmus zu finden.
Das „Starttor“ erinnerte mich irgendwie an eine Hüpfburg und nach einem kurzen Blick auf die Strecke (fünf Kilometer hin und zurück, quasi vollkommen flach, entlang des Flusses) war ich startbereit. Der Start erfolgte auch diesmal auf die Sekunde genau und die Hatz war eröffnet. Im Gegensatz zu den Läufen in Deutschland war ich tatsächlich im vorderen Rennfünftel „richtig platziert“ und konnte mich hier auch nach der Startphase gut halten.
Nach etwa 300 Metern im Park bog der Kurs auf die Flusspromenade ab und von hier ging es immer flussabwärts bis zum Wendepunkt. Laut Plan gab es drei Verpflegungspunkte, aber aufgrund der moderaten Temperatur von 18°C erwartete ich diesbezüglich keine Probleme. Obwohl ich mich weit vorne platziert hatte, kam es am Anfang des Rennens zu einer gewissen Abbremsung, da einige langsame StarterInnen den „Abfluss“ von den breiten Wegen im Park zum engeren Weg am Fluss bremsten.
Den ersten Kilometer absolvierte ich in einer robusten 5:37, aber irgendwie ließ ich mich dann von einem Grupetto mitziehen ohne großartig auf die Zeit zu achten. Dies hatte zur Folge, dass ich den zweiten Kilometer mit einer Pace von unter (!) fünf Minuten lief und Kilometer 3 und 4 jeweils nur knapp darüber. Ich war auf Kurs eine neue Fabel-Bestzeit über zehn Kilometer (stehende Bestzeit lag bei 54:04, gelaufen in Furtwangen 2018) zu laufen.
Den Wendepunkt erreichte ich nach 26:39 (durchschnittliche Pace 5:16), aber es war natürlich fraglich ob ich dieses Tempo weitergehen könnte. Also ich mich bei der ersten Verpflegung des Rückwegs mit Wasser versorgen wollte, ging ich leider leer aus. Die Verpflegung lief komplett ohne Wegwerfbecher und die Einheimischen hatten alle eigene Becher dabei, die bei Bedarf gefüllt wurden. Andere Länder andere Sitten, aber natürlich eine gute Maßnahme gegen die Vermüllung.
Vermutlich hätte mir ein Becher Wasser nicht geschadet – oder die minimale „Steigung“ (jetzt ging es flussaufwärts) zeigte ihre Wirkung, auf jeden Fall konnte ich das Tempo der ersten fünf Kilometer nicht mehr halten. Die Kilometerzeiten waren zwar immer noch unter 5:30, aber der Akku wurde nun noch merklich leerer. Kilometer 9 war zusammen mit dem Startkilometer am Langsamsten, aber da ich wusste noch im Bereich der persönlichen Bestzeit zu sein, wollte ich auf dem letzten Kilometer nochmals alles geben.
Ich absolvierte den letzten Kilometer in 5:26 und meine handgestoppte Zeit war mit 54:08 vier Sekunden hinter der persönlichen Bestteit. Die offizielle Zeit war fast eine halbe Minute langsamer, aber ich hatte ein großartiges Rennen aufs Parkett gelegt. Auch wenn es zur persönlichen Bestzeit nicht ganz reichte, kam ich unter den 10 % der schnellsten LäuferInnen ins Ziel.
Nach dem Lauf begab ich mich dann zur U-Bahn Station und fuhr zurück nach Guting, um in meinem Lieblingscafé nach einer wohlverdienten Dusche zu frühstücken.
Fazit:
Der Labor Run war ein wirklich schöner Lauf entlang des Tamsui Rivers. Die Organisation war prima und trotz meiner etwas unplanmäßigen und verspäteten Ankunft war die Abholung von Startnummer unproblematisch. Dass es bei den Verpflegungsstellen keine Wegwerfbecher gibt, ist gewöhnungsbedürftig aber im Endeffekt absolut sinnvoll. Für mich persönlich war der Labor Run bis zum heutigen Tage einer der besten Läufe über die zehn Kilometer. Ohne den Stau am Start wäre die persönliche Bestzeit vermutlich gefallen.
Fakten:
- 10 Kilometer Rundkurs (hin- und zurück, Asphalt)
- 21 Meter Höhendifferenz (de fakto aber wohl weniger)
- Höchster Punkt: 14 m
- Tiefster Punkt: 3 m
- Automatische Zeitmessung
- Verpflegung unterwegs mit eigenem Becher und bei Start/Ziel
- Anreise mit Fahrrad oder „Uber“ empfohlen. Busse ggf. am Tag zuvor austesten (Haltestellen in Google Maps nicht immer korrekt)
- Startgebühr 412 TWD (etwa € 12,50)
Ausrichter: Lohas
Ergebnis Frauen:
1. 李雅琪 (46:45)
2. 鄭國劍 (48:07)
3. 張雅淇 (48:45)
Ergebnis Männer:
1. 謝明達 (37:36)
2. 黃任平 (38:36)
3. 陳炳憲 (38:57)
Mein Ergebnis:
– 54:01 (brutto, manuell) / 54:35 (netto, offiziell)
– Pace 5:28
– Altersklasse 94. von 660. Teilnehmern
– Insgesamt 159. von 1702 TeilnehmerInnen
Kommentar verfassen