Oft bedarf es kleiner Zufälle, die das Leben in die ein oder andere Richtung lenken. Bei mir gehören dazu die Erkrankung meiner Oma als ich in Norwegen studierte; die ein oder andere zwischenmenschliche Geschichte oder auch die umfallenden Dominosteine, die Anfang 2021 zum Jobwechsel nach fast 16 Jahren führten. Mehrere solche Zufälle führten mich letztendlich zum parkrun bzw. sorgten dafür, dass es nicht bei einer einmaligen Teilnahme blieb. Aktuell (Januar 2024) steht meine parkrun Statistik bei 47 Läufen und 23 Helfereinsätzen. Da es chronologisch gut ins Jahr 2021 passt, möchte ein bisschen weiter ausholen, wie es dazu kam und was mittlerweile die Faszination parkrun für mich ausmacht. Liebe auf den ersten Blick war es nämlich nicht ganz, sondern eher ein „On/Off Beziehung“ wie man auf Neudeutsch wohl sagt.

Das Konzept parkrun stammt aus Großbritannien, wo im Oktober 2004 der erste Lauf stattfand. Parkruns breiteten sich deshalb vorerst eher im englischsprachigen Raum aus, während die erste Ausgabe in Mitteleuropa erst 2011 in Gdynia (Polen) organisiert wurde. Im deutschsprachigen Raum dauerte es bis Dezember 2017 als in Hannover, Mannheim und Leipzig erstmals das Startsignal ertönte. In Deutschland gibt es mittlerweile 54 Standorte, wovon ich bisher sechs besuchte.

parkruns in Mitteleuropa

Was ist genau ein parkrun? Dahinter steht eine gemeinnützige Organisation, die sich durch Sponsoren, Spenden und Verkauf von Kleidung und anderem Beiwerk finanziert. Diese Organisation verspricht, dass die Teilnahme am parkrun „für alle Zeit gratis“ sein wird. Das ist schon mal ein sehr zentraler Punkt, wie ich finde. Der parkrun spricht Bewegungswilige aller Alters- und Leistungsklassen an. Von Spitzenleuten, die unter 17 Minuten laufen bis zu parkwalkerInnen, die sich über eine Stunde für die fünf Kilometer Zeit lassen dürfen. Am Ende des parkruns ist immer die jeweilige Schlussbegleitung, die das Event abschließt und sich an den Langsamsten orientiert.
87th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

Mittlerweile gibt es weltweit über 2000 parkrun Standorte. Die Teilnehmerzahlen schwanken dabei zwischen ein- und vierstellig. Das Grundprinzip ist dabei aber immer das Gleiche. Der parkrun wird komplett von Freiwilligen organisiert. An der Spitze steht die Laufleitung, die das große Ganze im Überblick behält und schon über parkrun Organisationserfahrung verfügt. Weitere zentrale Aufgaben für Freiwillige sind Auf-/Abbau, Streckenprüfung, Zeitnahme, Zielmarkenausgabe, Barcodescan und Streckenposten. In Freiburg gibt es in aller Regel dazu auch noch eine Ersteinweisung für neue parkrunner, Fotoverantwortliche, Berichterstatter und Kommunikatorin in den sozialen Medien. Für jeden Freiwilligen gibt es also passende Aufgaben mit mehr oder weniger Verantwortung bzw. mehr oder weniger im Rampenlicht.
52nd Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

Der Ablauf ist dann relativ simpel. Im Vorfeld (wenn Zeitmessung und Statistik gewünscht) registriert man sich einmalig auf einer parkrun-Seite, um einen persönlichen QR-Code zu erstellen und einen Notfallkontakt zu hinterlegen. Dieser Code ist für alle parkruns weltweit gültig. Hat man also irgendwo im Urlaub Lust einen parkrun zu laufen, einfach den Standort auf der Webseite checken, kurz vor neun am Treffpunkt sein, fünf Kilometer absolvieren und Spaß haben.
95th Speyer Leinpfad Parkrun

Bei der Überquerung der Ziellinie wird die Zeit gestoppt und man bekommt von einem Freiwilligen einen Plastiktoken übergeben. Auf diesem ist ein QR-Code und die Tagesplatzierung. Diesen Code lässt man zusammen mit dem persönlichen QR-Code bei einem anderen Freiwilligen (alle tragen eine auffallende Weste) scannen und schon wandert das Ergebnis später ins System. Ganz wichtig ist, den Plastiktoken wieder direkt abzugeben, sonst fehlt er nächste Woche und das ist sehr ungut.

Token zum Scannen im Ziel
Token zum Scannen im Ziel

Während man sich natürlich schon je nach Gusto während des Laufes mit Gleichgesinnten unterhalten kann, bietet sich die Zeit nach dem Zieleinlauf dafür auch sehr gut an. Viele parkruns haben in Zielnähe auch ein Café, um sich (natürlich auf freiwilliger Basis) dort nach dem Lauf noch weiter auszutauschen. In Freiburg hat sich im Sommer auch ein monatliches Picknick am Dietenbachsee etabliert. Oft bringen Freiwillige oder Bewegungsinteressierte auch Getränke, Kuchen oder Snacks von zu Hause mit. Hier sollte man beachten, dass dies alles auf Selbstkostenbasis und nicht durch den parkrun bezahlt wird (was ich übrigens auch sehr lange nicht wusste).
100th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, hätte der erste parkrun in Freiburg kurz nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 stattfinden sollen. Ich bekam davon von meinem Kumpel Olli Wind, den ich (Zufall!) auf Strava kennenlernte und mit dem ich auch ein paar Läufe des Denzer Cup absolvierte. Im Vorfeld der Planung wurden einige Varianten in Freiburg angedacht, aber letztendlich fiel die Wahl auf den Dietenbachpark. An der Dreisam ist es zu eng; der Mooswald zu abgelegen und im Freiburger Osten fehlte die generelle Infrastruktur. Ich war nur indirekt bei der Planung dabei und zwei der Masterminds sind nach dem „Re-Start“ auch leider nie bei einem parkrun dabei gewesen.

Ich war im Endeffekt bei den beiden Testläufen 2020 dabei, aber die große Premiere konnte wegen der Pandemie nicht stattfinden. Der erste, offizielle parkrun in Freiburg fand dann letztendlich erst im Spätherbst 2021 statt. Für mich stand das Jahr 2021 unter dem Stern einer gescheiterten Fernbeziehung und des Jobwechsels. Ersteres war natürlich weniger schön; Zweiteres erwies sich aber als Volltreffer. Da ich den Großteil des Jahres fünf Tage in der Woche ins Büro pendelte (2020 war ich ja quasi fast nur im Home-Office) änderte sich die Work-Life-Balance massiv und meine Jahreslaufkilometer nahmen im Vergleich zum Rekordjahr 2020 um zwei Drittel ab. Am Ende knackte ich 500-Kilometer-Marke geradeso; der schlechteste Wert seit 2017.
First Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

Natürlich wollte ich aber beim ersten parkrun am 23. Oktober dabei sein, auch wenn ich in der Zwischenzeit doch etwas den Kontakt zu Olli und anderen parkrun-Pionieren verloren hatte. Der erste Lauf war durchaus gelungen und ich belegte mit einer relativ mäßigen Zeit von 31:42 den 46. Platz. Aufgrund der erfreulich hohen Anzahl von LäuferInnen fühlte ich mich aber irgendwie ein bisschen verloren. Auch am zweiten parkrun (30:54/15. Platz) nahm ich teil, war dann aber aus diversen Gründen erstmal “weg vom Fenster” und hatte fürs Erste keine Pläne weitere parkruns zu machen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass ich für einen Fünf-Kilometer-Lauf keine halbstündige Anfahrt in Kauf nehmen möchte, vor allem nicht im Winter. Damals überwog für mich ganz klar der sportliche Aspekt.
Second Dietenbach parkrun Freiburg

Nach einem weiteren schlimmen Pandemiewinter und als im Frühjahr 2022 klar wurde, dass viele Laufveranstaltungen erneut ausfallen würden und sich die Anzahl der sozialen Kontakte während der Pandemie und dem Jobwechsel doch arg in Grenzen hielt, zog es mich Ende Februar doch mal wieder zum parkrun. Nach diesem parkrun, es war , veränderte sich für mich die Bedeutung des parkruns. Im Vergleich zu den beiden Läufen im Oktober lernte ich Leute kennen. Während des Laufs pushte ich mich mit einer Läuferin zu einer neuen Bestzeit und auch nach dem Lauf gab es einen regen Austausch mit anderen Läufern, die in der Zwischenzeit übrigens zu echten Freunden wurden.
17th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

In sportlicher Sicht waren die im Frühjahr folgenden parkruns mit oben genannter Läuferein ein echter Gewinn, da wir uns gegenseitig zu Bestzeiten pushten. Meine Bestzeit entwickelte sich in diesem Zeitraum von 28:59 über 28:53, 28:15 und 28:04 zu 27:35. Trotzdem überwog für mich weiterhin das Lauferlebnis und ein bisschen Smalltalk im Anschluss. Im Sommer 2022 nahmen meine Fahrten nach Freiburg auch wieder ab, da die Vorbereitung auf mein Halbmarathon-Comeback im Herbst im Focus standen. Und nach Freiburg zu fahren, um „nur zu helfen“ war damals für mich noch kein Thema. 33rd Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

2023 fiel dann für mich endgültig der Groschen in Sachen parkrun. Der eigentliche Lauf stand für mich immer seltener im Mittelpunkt, sodass der soziale Aspekt wichtiger wurde. Mal lief ich einen Lauf gemütlich mit, um mich zu unterhalten oder ich walkte bzw. machte verletzungsbedingt die Schlussbegleitung. Mittlerweile fand ich auch an diversen Freiwilligentätigkeiten gefallen (wobei meine Laufberichte nicht bei allen so gut ankommen) und der Termin Samstagmorgen um neun wurde mehr und mehr zum Fixpunkt – beim SC Freiburg so wie früher war ich dagegen nur noch selten anzutreffen. Die anschließende Einkehr in Lios Café zum Austausch war ebenso ein wöchentliches Highlight. Der parkrun in Freiburg konnte 2023 übrigens seine durchschnittlichen Zahlen fast verdoppeln, wie Florian in seiner tollen Auswertung herausfand. Mittlerweile finden sich samstags um Neun, bei Wind und Wetter, oft über 60 Bewegungswillige am Freiburger Dietenbachpark ein. 87th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

In diesen zwei Jahren parkrun lernte ich viele weitere tolle Menschen kennen, die mein Leben bereicherten. Leute, die ich in meinem Alltag oder bei Volksläufen vermutlich nie kennengelernt hätte. Leute mit völlig anderem beruflichen und sozialen Hintergrund, aus anderen Generationen, mit anderem kulturellen Hintergrund oder Weltanschauungen. Wie gesagt entwickelten sich daraus echte Freundschaften und wir trafen uns abseits der parkruns auf dem Weihnachtsmarkt, zum parkrun-Wandern, beim Wandermarathon, bei Geburtstagen, beim Basketball oder Fußball, auf Mastodon, Discord oder Steam; wir machten Fahrten zu mehr oder weniger gelungenen Volksläufen, zu größeren Laufevents mit Übernachtung und weiteren Community Events. Die parkrun Familie ist neben der „echten“ Familie ein wichtiger Grund dafür, dass mir in den letzten Jahren nicht die “Decke auf den Kopf gefallen” ist.

Beim Genusslauf in Müllheim

Da ich aktuell im Vergleich zu früher keine größeren Reisen mehr unternehme, begann ich Kurzurlaube mit parkruns in anderen Städten zu kombinieren. Bisher war ich beim Leinpfad Speyer (25.02.2023), Traumschleife Bärenbachpfad Baumholder (03.06.2023), Westpark München (02.09.2023), Friedrichsau Ulm (03.09.2023) und Dreiländergarten Weil am Rhein (01.01.2024) am Start. Diese parkruns werde ich gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in Laufkurzberichten zusammenfassen. Parkrun Friedrichsau Ulm

Der Vollständigkeit halber hier noch ein paar Statistiken (per heute):
– 47 x im Ziel an 6 Standorten
– 23 x Freiwilliger an 2 Standorten (9 verschiedene Aufgaben)
– persönliche Bestzeit 25:37 (23.09.2023)
– beste Platzierung: 1. Platz in Baumholder (nur vier TeilnehmerInnen) am 03.06.2023
66th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)

Morgen werde ich übrigens mal wieder nicht (beim parkrun) laufen, sondern die Plastiktokens im Ziel ausgeben und beim Kuchenvernichten brillieren! Gerüchten zufolge soll zu meinem 50. parkrun Anfang Februar die ganz große Kuchen-Bazooka aufgefahren werden und ich freue mich auf euren Besuch! 98th Dietenbach Parkrun Freiburg (Baden, Germany)